Pyrolyse-Drehrohrofen im Technikumsmaßstab mit eigens entwickelter Kondensationsanlage im Vordergrund KREISLAUFWIRTSCHAFT BEI KUNSTSTOFFEN PYROLYSE FÜR HOCHWERTIGE RECYCLING-KUNSTSTOFFE UMWELTTECHNIK Kunststoffe aus Polycarbonat sind wegen ihrer Vielseitigkeit und hohen Qualität begehrte Werkstoffe in der Industrie. Aber das Recycling der Kunststoffabfälle stößt derzeit noch an Grenzen, denn mechanische Recyclingverfahren generieren nicht für alle Anwendungen ausreichende Recyclat-Qualitäten. Fraunhofer-Forschende haben gemeinsam mit einem Chemieunternehmen nun eine Methode zur Rückgewinnung der Ausgangsstoffe der Polycarbonate entwickelt. 01 S6 SUPPLEMENT 2024
t 01 Aus unterschiedlichen PC-haltigen Abfällen wird mit dem neuen Recycling- Verfahren Pyrolyseöl als Rohstoff für die Herstellung neuer Kunststoffe gewonnen 02 Einordnung des chemischen Recyclings mittels Pyrolyse in ein ganzheitliches Recyclingkonzept 02 Bei dem Verfahren zum chemischen Recycling von Polycarbonaten, das die Forschenden am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS gemeinsam mit Covestro Deutschland entwickelt haben, kommt die katalytische Pyrolyse zu Einsatz. Dabei werden Stoffe unter Sauerstoffausschluss erhitzt. Als Folge zerfallen die Substanzen, und die Ausgangsbestandteile des Kunststoffs lassen sich zurückgewinnen. Dr. Jörg Kleeberg, Wissenschaftler am Fraunhofer IKTS am Standort Freiberg, und sein Team haben das Verfahren im Rahmen des Projekts „PC2Chem“ weiterentwickelt. „Ziel war, Polycarbonat-haltige Kunststoffe so zu recyceln, dass hochwertige Moleküle wiedergewonnen und als Rohstoffe in den Produktionskreislauf der Industrie zurückgeführt werden können“, sagt der Experte für Kohlenstoff-Kreislauf-Technologien. Die Forschenden machen sich dabei den besonderen Aufbau der Polycarbonate zunutze. Diese bestehen aus Polymeren, einer Kombination miteinander verbundener Molekülgruppen, den Monomeren. Werden die Polymere in der Pyrolyse thermischer Belastung ausgesetzt, brechen die Bindungen an den Sollbruchstellen zu den hochwertigen Molekülen auf. INDUSTRIETAUGLICHER DREHROHROFEN Das Fraunhofer-Team nutzt für die Pyrolyse einen Drehrohrofen, der aufgrund seines robusten Aufbaus und seiner Größe auch größere Mengen verarbeiten kann. Die als Granulat von Covestro angelieferten Kunststoffabfälle werden in das rotierende Rohr eingeführt und darin erhitzt. Als Produkt entsteht zunächst ein Pyrolysegas, aus dem in einer Kondensationsanlage eine ölige Flüssigkeit abgeschieden wird. Daraus wiederum gewinnt der Projektpartner Covestro in einem Aufarbeitungsprozess die unterschiedlichen werthaltigen Moleküle. DAS PYROLYSE-VERFAHREN KANN AUCH AUF ANDERE KUNSTSTOFFE UND STOFFGEMISCHE ANGEPASST WERDEN Damit das Recycling im Drehrohrofen Produkte mit optimaler Zusammensetzung und Ausbeute liefert, musste das Forscherteam im Labor einige Hürden meistern. Die Aufspaltung der Kunststoffe bei hoher Temperatur ist ein hochkomplexer und empfindlicher Prozess. Die Herausforderung bestand deshalb darin, die Parameter für den Pyrolysevorgang exakt einzustellen: Temperatur, Aufheiz- und Verweilzeit, Abkühlung, Druckverhältnisse oder auch das Beigeben von Hilfs- und Zusatzstoffen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kunststoffe mit Additiven ver- sehen sind, darunter Farbstoffe, Aufheller, Flammschutzmittel, Substanzen, die Festigkeit oder Elastizität beeinflussen oder auch Lichtschutzmittel. All diese Zusatzstoffe machen die Behandlung im Drehrohrofen kompliziert. Jörg Kleeberg erläutert: „Wenn die Reaktionsprodukte aus der Pyrolyse im Drehrohrofen zu langsam abkühlen, werden die chemischen Prozesse nicht gestoppt, und die aufgespaltenen Moleküle bilden wieder neue Verbindungen. Erst wenn alle Parameter korrekt eingestellt und aufeinander abgestimmt sind, entsteht die gewünschte hohe Ausbeute an Zielprodukten. Wir haben deshalb zahlreiche Testreihen durchgeführt und so schrittweise den Prozess optimiert.“ Den Experten des Fraunhofer IKTS kommt hier die langjährige Erfahrung in den Bereichen Hochtemperaturkonversion und Prozesstechnik zugute. Das Projekt PC2Chem ist auf einem guten Weg. Durch das Recycling werden bis zu 60 Prozent der ursprünglichen Bestandteile wiedergewonnen. Das System hat die Phase der ersten Laborversuche verlassen und wird gerade im Technikummaßstab erprobt. SCHRITT IN RICHTUNG KREISLAUFWIRTSCHAFT Die neue Recycling-Technologie eröffnet der Industrie handfeste Vorteile. Das gewonnene Pyrolyse-Öl enthält für die chemische Industrie wichtige Plattformchemikalien wie Styrol oder Phenol. Für diese müssen derzeit noch fossile Rohstoffe aus Raffinerien genutzt werden. Auch Projektpartner Covestro ist von den Vorteilen überzeugt: „Mit dem katalytischen Pyrolyse-Verfahren gewinnen wir aus unterschiedlichen PC-haltigen Abfällen wieder Rohstoffe für die Polycarbonatproduktion. Damit senken wir Kohlendioxid-Emissionen, sparen Energie und reduzieren die Kosten“, so Dr. Stefanie Eiden, Projektleiterin Pyrolyse global. Prof. Martin Gräbner, Abteilungsleiter Energie- und Verfahrenstechnik am Fraunhofer IKTS in Freiberg, erklärt: „Die Pyrolyse soll die herkömmlichen Verfahren nicht ersetzen, sie ist vielmehr eine ideale Ergänzung, wenn es darum geht, aus Plastikresten neue Kunststoffe in hoher Qualität zurückzugewinnen. Das Pyrolyse-Verfahren ist ein großer Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft in den Industriebranchen, die Kunststoffe verarbeiten.“ Das Team am Fraunhofer IKTS fasst bereits den nächsten Schritt ins Auge. „Wir sind in der Lage, das Pyrolyse-Verfahren auch auf andere Kunststoffe und Stoffgemische anzupassen. Industriekunden können mit ihrem Recycling-Problem zu uns kommen, wir entwickeln dann eine maßgeschneiderte Lösung“, sagt Jörg Kleeberg. Bilder: Fraunhofer IKTS ikts.fraunhofer.de SUPPLEMENT 2024 S7
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