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MY FACTORY 1-2/2022

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MY FACTORY 1-2/2022

WARTUNG UND

WARTUNG UND INSTANDHALTUNG INTEGRITÄT VON DRUCKLUFTBEHÄLTERN PRÜFEN SCHALLEMISSION STATT WASSERDRUCK Die Stabilität von Druckluftbehältern in Produktionsanlagen wird üblicherweise mit Wasserdruck geprüft. Die anschließende Reinigung der Behälter ist jedoch zeitaufwendig. Zudem kann Restfeuchte im System verbleiben und den Herstellungsprozess sowie die Produktqualität gefährden. All dies umgeht die Schallemissionsprüfung, die als Gasdruckprüfung mit Betriebsmedium möglich ist. Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) verpflichtet Anlagenbetreiber, Druckluftbehälter wiederkehrend auf Leckagen, Rissbildungen und Korrosionsfortschritte zu prüfen. Dafür werden die Behälter traditionell mit Wasser gefüllt und nach der Prüfung gereinigt und getrocknet. Damit sind allerdings längere Ausfallzeiten verbunden. Alternative Prüfverfahren dürfen eingesetzt werden, falls ein Prüfkonzept des Betreibers gleichwertige Aussagen zur Betriebssicherheit liefert und eine zugelassene Überwachungsstelle (ZÜS) dies bestätigt. Die Schallemissionsprüfung (SEP) ist ein solches Prüfverfahren, das zu den zerstörungsfreien Prüfungen (ZfP) zählt. Sie kann mit Betriebsmedium durchgeführt werden und reduziert Stillstandzeiten auf ein Minimum. RISSUFERREIBUNG LÖST SCHALLWELLEN AUS Bei der SEP wird der Druck im Behälter stetig erhöht und mit Sensoren überwacht. Wird sie als Gasdruckprüfung durchgeführt, sollte der Prüfdruck zehn Prozent über dem maximalen Betriebsdruck liegen. Ist dieser Wert erreicht, ersetzt die Prüfung zugleich die Innenbesichtigung des Druckgeräts. Aktive Fehler im Werkstoff des Behälters, so zum Beispiel Risse, werden durch die Druckerhöhung zur Rissuferreibung angeregt. Im Gefüge entsteht ein mechanischer Bewegungssprung, der seine Umgebung anstößt. Diese federt zurück und löst damit elastische Schallwellen aus, die piezoelektrische Sensoren an der Behälterwand aufnehmen und in elektrische Signale umwandeln. Die Schallemissionsquellen (SE-Quellen) können detektiert und exakt lokalisiert werden. Ein Computer zeichnet die Signale auf und stellt sie in einem digitalen Zwilling grafisch dar. Dabei werden die Signale gemäß ihrer örtlichen Anhäufung in Cluster eingeteilt. Die Anzahl der detektierten Signale innerhalb eines Clusters bestimmt den Grad der Aktivität eines Bereichs. Bei der Analyse der Daten und um nötige Maßnahmen zu planen, hat es sich bewährt, die Cluster nach ihrem Grad der Aktivität und Intensität in drei Klassen einzuteilen (Tabelle). Mit einer SEP können Veränderungen im Gefüge des Werkstoffs erkannt werden, bevor sie einen kritischen Zustand erreichen. Häufig ermöglicht das Prüfverfahren zudem eine bessere Beurteilungsgrundlage als traditionelle Druck- und Sichtprüfungen. Auch unkritische Inhomogenitäten und Mikrorisse, die im Normalbetrieb nicht wachsen, können als solche sicher erkannt und daher belassen werden. BEHÄLTER PRÜFEN UND KONTINUIERLICH ÜBERWACHEN Die Schallemissionsprüfung erkennt Defekte, während sie entstehen oder wachsen. Damit ist das Verfahren geeignet, Anlagen im laufenden Betrieb zu überwachen. Mit wenigen Sensoren an festen Positionen können Behälter verschiedener Größen auch mit komplexen Geometrien oder schwer zugänglichen Bereichen und Einbauten sicher geprüft und kontinuierlich überwacht werden. Die SEP profitiert von der enorm gestiegenen Rechenleistung der letzten Jahre. Mehrere hundert detektierte Anomalien pro Sekunde sind einfach zu visualisieren. 38 MY FACTORY 2022/01-02 www.myfactory-magazin.de

WARTUNG UND INSTANDHALTUNG Schallemissionsquellen detektieren und lokalisieren SCHALLEMISSIONSQUELLEN: EINORDNUNG, BEWERTUNG UND MASSNAHMEN Einordnung der Schallemissionsquellen Bewertung Maßnahmen Klasse 1 unbedeutend keine Maßnahmen erforderlich Klasse 2 aktiv visuelle Prüfung und/oder weitere ZfP zur Nachuntersuchung und Bewertung Klasse 3 sehr aktiv/kritisch Prüfunterbrechung/-abbruch, Druckablass, visuelle Prüfung und weitere ZfP zur Nachuntersuchung und Bewertung vor Wiederinbetriebnahme Die fortlaufende Überwachung liefert grundlegende Informationen für eine Predictive Maintenance. Die Daten können auch über das Netzwerk oder die Cloud zur Verfügung gestellt werden (Online-Monitoring). Wird eine separate Ultraschallmessung ergänzt, ist es möglich, die Wandstärke von Behältern und Leitungen dauerhaft zu überprüfen (Permanent-Monitoring-Verfahren). PHARMAPRODUKTION – EIN PRAXISBEISPIEL Arzneimittelhersteller verwenden Druckluft als Prozessluft, zum Beispiel für die Förderung von Arzneimittel-Bestandteilen, bei der Herstellung und Verpackung von Tabletten, aber auch für die Reinigung von Anlagen und Behältern. In der Pharmaproduktion sind die Anforderungen an die Qualität der Druckluft besonders hoch: Das Betriebsmedium muss immer sauber, trocken sowie keim- und ölfrei sein. TÜV SÜD Industrie Service wurde von der Hexal AG beauftragt, einen Druckluftbehälter in der Pharmaproduktion zu prüfen. Der Behälter aus warmfestem Kesselbaustahl (Werkstoff P 235 GH), Baujahr 1991, hat ein Volumen von 3 000 Litern. Da die Produktionsanlage im Dreischichtbetrieb läuft, war eine möglichst geringe Stillstandzeit einzuhalten. Zunächst wurde der Behälter innen visuell geprüft. Das ist zwar bei einer SEP nicht zwingend notwendig, doch der Behälter war über das vorhandene Mannloch gut zugänglich. Bei der Sichtprüfung wurden keine relevanten Schäden festgestellt und auch die mit Ultraschall gemessene Wanddicke war unbedenklich. Danach wurden zur Vorbereitung der SEP-Sensoren an der Außenwand des Behälters angebracht. Insgesamt acht Sensoren genügten, um die gesamte Struktur des Behälters zu prüfen. Der zulässige Betriebsdruck betrug 11 bar, daher war ein Prüfdruck von 12,1 bar nötig, der mit einem externen Kompressor aufgebracht und über 15 Minuten gehalten wurde. Anschließend war der Behälter wieder betriebsbereit. Die Analyse der Aufzeichnungen zeigte, dass lediglich in wenigen Bereichen SE-Quellen erfasst wurden, die zudem der Klasse 1 zuzuordnen waren. Die Stabilität des Druckbehälters war also nicht gefährdet und der Weiterbetrieb bis zur nächsten wiederkehrenden Prüfung sicher. Bilder: TÜV SÜD www.tuvsud.com UNTERNEHMEN TÜV SÜD Industrie Service GmbH Westendstraße 199, 80686 München Telefon: +49 89 5791-0, E-Mail: info@tuvsud.com AUTOR M. Eng. Oliver Großgart, Sachverständiger für Anlagensicherheit, Geschäftsfeld Anlagensicherheit, TÜV SÜD Industrie Service GmbH ZUSATZINHALTE IM NETZ www.tuvsud.com/sep www.myfactory-magazin.de MY FACTORY 2022/01-02 39

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