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MY FACTORY 09/2023

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MY FACTORY 09/2023

SMART PRODUCTION

SMART PRODUCTION KI-BASIERTES SEQUENCING UND SCHEDULING PRODUKTIONSPLÄNE VORAUSSCHAUEND OPTIMIEREN Weichen Plan- von Ist-Prozessen ab, kann es für Unternehmen schnell teuer werden. Das trifft vor allem auch auf strukturell bedingte Abweichungen zu. Jene schon in der Struktur der Prozesse verankerten Ursachen lassen sich mit KI-basiertem, selbstlernendem Sequencing und Scheduling erkennen und nachvollziehbar vermeiden. Dass Prozesse in einem signifikanten Maße von den angenommenen Leistungsparametern und damit von der Planung abweichen, kennen viele Unternehmen. Die Ursachen hierfür können sehr unterschiedlich sein, und nicht immer lässt sich sofort gegensteuern. Zulieferausfälle oder qualitätsbedingte Sperrungen zählen z.B. zu den sogenannten spontan auftretenden Prozessstörungen. Anomalien können aber auch strukturell bedingt sein. Das heißt, ihre Ursachen liegen in der Planung selbst und lassen sich typischerweise erst im Nachhinein identifizieren. Das Risiko für diese Art von Abweichungen steigt vor allem dann, wenn bei der Planung viele, zum Teil auch gegenläufige Kriterien zu berücksichtigen sind. QUALITATIVES LABELING VON PROZESSDATEN Lernende KI-Verfahren für die Optimierung von Geschäftsprozessen und echtzeitfähige Entscheidungsunterstützung benötigen automatisiert aufbereitete Daten. Das heißt, ihnen muss bereits vor dem Lernvorgang eine Bedeutung zugeordnet werden. Denn anders als z.B. bei der Spracherkennung entstehen hier kontinuierlich neue Datenmuster, die laufend nachgelernt werden müssen. Dies kann nur per Software und automatisch erfolgen. Das Qualitative Labeling ist ein solches Verfahren. Mit dessen Hilfe lassen sich in historisierten und aktuellen Daten automatisch mittels Zielkonfliktanalyse Zusammenhänge erkennen – und zwar in Form von selbstberechneten Klassen von Datenmustern, die Anwenderinnen und Anwendern zur Bestätigung oder zur Korrektur präsentiert werden. Qualitativ gelabelte Daten schlagen folglich eine Brücke zwischen Datenmustern in den Rohdaten und ihrer Bedeutung in der realen Welt des betreffenden Prozesses. So schaffen sie die Voraussetzung für eine kontinuierliche Prozessverbesserung in Kombination mit qualitativen, optimierungsbasierten KI-Verfahren. 22 MY FACTORY 2023/09 www.myfactory-magazin.de

SMART PRODUCTION Ein Kriterien-Graph visualisiert den Zusammenhang zwischen Auftragseigenschaften (Zeilen) und abzuarbeitenden Aufträgen (Spalten rechter Teil) Typischerweise setzen Unternehmen auf Feinplanungssysteme, um Fertigungsaufträge und Arbeitsgänge in eine optimale Reihenfolge zu bringen. Herkömmliche Lösungen stoßen jedoch gerade bei komplexen Planungsaufgaben an Grenzen. Während sie Informationen wie Kapazitätsangebot und -bedarf, einzuhaltende Termine (frühester Start oder spätmöglichstes Ende) sowie Prioritäten in die Planungen mit einbeziehen, bleiben weitere relevante Einflussgrößen wie technische Faktoren (u.a. Temperatur, Vibration, Maschinenkritikalität), betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte (Abschreibungszustand, Ersatzinvestitionsbedarf, Modernisierungsbedarf) ebenso wie Sicherheits- (Arbeitsschutz, Ergonomie) und Nachhaltigkeitsaspekte (CO 2 -Ausstoß, Ressourcenschonung, Energieeffizienz) außen vor. MUSTER ERKENNEN UND ZUSAMMENHÄNGE LERNEN Um komplexe Settings mit einer Vielzahl unterschiedlicher Kriterien optimal zu planen und zu steuern, empfiehlt sich der Einsatz eines KI-basierten Systems für Sequencing und Scheduling, wie z.B. der Leitstand PSIasm/Qualicision. Im Kern kombiniert dieses System den Ansatz der Zielkonfliktanalyse mit maschinell lernender Anomalie-Erkennung und stützt sich auf das automatisierte qualitative Labeln von Prozessdaten (s. Kasten). Systematisch erfolgt ein Abgleich durchgeführter Produktionsabläufe mit anstehenden Ist-Abläufen. Identifizierte Unterschiede wertet ein solches System aus, indem vorgegebene Prozessziele vorausschauend verfolgt und dadurch besser erreicht werden. Mit anderen Worten: Aus historisierten Produktionssequenzen und -plänen erkennt und erlernt die Planungssoftware Muster von Aufträgen, Arbeitsgängen und Ressourcen, die zu unerwünschten Abweichungen und damit zu vermeidbaren Kosten führten. Sie erlernt folglich kontinuierlich Zusammenhänge und erzeugt hieraus bessere Optimierungsvorgaben und Ergebnisse. VIELSCHICHTIGE PRODUKTIONS- SEQUENZEN AUSBALANCIEREN Nicht nur in der Werkstattplanung (Shopfloor), sondern auch in der seriellen Produktion sowie in der Kombination dieser beiden Prozessarten hat sich diese KI-Unterstützung bereits bewährt. In der Automobilproduktion spielt neben Aspekten wie Materialanlieferung oder Zufluss von Komponenten aus einer Vorfertigung vor allem auch die hohe Variantenvielfalt durch individuell kombinierbare Ausstattungsmerkmale eine entscheidende Rolle. Die Hauptaufgabe an Planungssoftware besteht darin, Produktionssequenzen zu berechnen und so auszubalancieren, dass ein gleichmäßiger Fluss an der Linie entsteht. Die KI-basierte Software erkennt z.B. eine mögliche Planungskombination von Kriterien einer bestimmten Antriebsvariante mit den Eigenschaften „Rechtslenker“, „Rückfahrkamera“ und „Panorama-Dach“, die systematisch zu einer bestimmten Verzögerung zwischen den geplanten und den tatsächlichen Positionen in den jeweiligen Sequenzen führt. Zukünftig wird das System diese konkrete Kombination bei der Berechnung von optimierten Produktionsreihenfolgen ausschließen. Weil das System den Zusammenhang zwischen Auftragseigenschaften und Zeitverlauf der abzuarbeitenden Aufträge in einem Kriterien-Graph visualisiert, können Anwenderinnen und Anwender die Planungsentscheidungen zudem einfach nachvollziehen. BEI BEDARF LERNPROZESS MANUELL STEUERN Nicht nur Unternehmen mit hohem, sondern auch mit geringem Automatisierungsgrad können von diesem Systemansatz profitieren. Denn in diesen Fällen greift die Software auf eine manuell steuerbare Vorstufe der Lernlogik zurück. Als Basis dienen Kennzahlen (KPIs), die für die Abweichungen ermittelt werden, z.B. Dringlichkeit, Wichtigkeit, Kompaktheit oder Anzahl der einzulastenden Aufträge und Arbeitsgänge. Diese KPIs lassen sich dann via modifizierbaren Labeling-Funktionen und über eine einfache graphische Benutzeroberfläche manuell bewerten. Erst dann ordnet die Software die Sequenzen oder andere Ablaufpläne. In bestimmten Fällen gibt das System auch Empfehlungen aus, so dass die Anwenderinnen und Anwendern in kurzer Zeit die passenden Einstellungen vornehmen können. Hierfür ist ausschließlich Prozesswissen erforderlich. Das heißt, mit der Software können Menschen arbeiten, ohne über spezifische KI- Kenntnisse verfügen zu müssen. So betrachten sie die aus dem „eigenen“ Prozess bereits bekannten KPIs, ihre Bewertungen (KPI-Prioritäten) sowie Zielerreichungen und gleichen diese zusätzlich mit den maschinell berechneten Bewertungen ab. Sämtliche derart erzielten Ergebnisse lassen sich wiederum auf die gleiche Art und Weise in die maschinelle Lernlogik oder in den manuellen Lernprozess übernehmen. Das System lernt folglich stetig dazu. Hierdurch sinkt die Anzahl möglicher Abweichungen, die gleichzeitig nachvollziehbar sowie erklärbar werden. SELBSTLERNENDE SOFTWARE VERBESSERT PRODUKTIONSABLÄUFE KONTINUIERLICH Je komplexer das Produktionsszenario, desto höher das Risiko für planungs- bzw. prozessbedingte Anomalien. KI-basierte Softwaresysteme für Sequencing und Scheduling spüren nicht nur entsprechende Abweichungen auf, sondern übernehmen die erlernten Zusammenhänge der Zielkonfliktanalyse auch automatisch in die Folgezielsetzungen ihres Optimierungsalgorithmus. Systematisch und kontinuierlich verbessern Unternehmen auf diese Weise die Qualität der Planungsprozesse sowie der Prozesse selbst und vermeiden teure Produktionsstörungen. Bilder: iStockphoto/gorodenkoff/PSI; PSI FLS Fuzzy Logik & Neuro Systeme www.fuzzy.de AUTOR Dr. Rudolf Felix, Geschäftsführer, PSI FLS Fuzzy Logik & Neuro Systeme GmbH www.myfactory-magazin.de MY FACTORY 2023/09 23

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