PRODUCTION EXCELLENCE 01 Spannmittel als ein Schlüsselfaktor für die Smart Factory: Für die Innenspannung beim Drehen und Schleifen war eine komplette Neuentwicklung erforderlich 01 02 In der Schleifzelle sowie in der Dreh-/Fräszelle stehen nun je zehn vorgerüstete Maxxos Spanndorne mit einer centrotex AC Schnittstelle bereit 03 Der Spannkopf mit Anschlag wird automatisiert in das Spannfutter Toplus AC 100 mit Axzug eingewechselt 02 03 selbst umrüsten. Dazu braucht es Spannmittel, die in der Lage dazu sind. Hinzu kommt die hohe Genauigkeit beim Schleifprozess, da liegen wir im Toleranzbereich von maximal 3 µm“, erklärt Tschiggfrei. Als das Konzept der Smart Factory stand, wurde nach einem Partner gesucht. Da WTO und Hainbuch sich aufgrund diverser Auslandsprojekte kannten und gute Erfahrungen miteinander gemacht haben, war das Marbacher Unternehmen der Wunschpartner. Ende 2019 ging man in erste Gespräche zur Spannmittelauswahl. Die daraus abgeleiteten Konzepte, die Hainbuch ausarbeitete, überzeugten und die Umsetzung konnte beginnen. STARTSCHUSS FÜR MANNLOSE FERTIGUNG Auf den mehr als 50 CNC-Maschinen, die in der Fertigungshalle der Smart Factory von WTO stehen, wurde überwiegend mit Backenfuttern gespannt, für die einzelnen OPs wurde von Hand umgerüstet und ausgerichtet. Tschiggfrei erläutert: „Die Maschinen in der Smart Factory sind alle neu. Es sind Standardmaschinen, aber angepasst auf die speziellen Wünsche, um den automatisierten Spannmittelwechsel mit einem Roboter zu ermöglichen.“ Der erste komplett mannlose Fertigungsprozess, der in der Smart Factory umgesetzt werden sollte, war der eines Gehäuses mit Weich- und anschließender Hartbearbeitung. Es ging um vier Maschinen, die Hainbuch mit Spannmitteln ausstatten sollte. Zwei Dreh-/Fräszentren in einer Zelle mit Innenspannung auf der Gegenspindel und zwei Rundschleifmaschinen in einer Zelle, davon eine mit Außenspannung und eine mit Innenspannung. Für die Außenspannung zum Schleifen konnte Hainbuch auf ein Standardspannfutter, das Toplus AC 100 mit Axzug, zurückgreifen. Für die unterschiedlichen Gehäuse stehen bei diesem Typ mittlerweile 18 Spann-Sets zur Verfügung, bestehend aus Spannkopf mit Anschlag, die automatisiert ins Futter eingewechselt werden. Doch für die Innenspannung beim Drehen und Schleifen war eine komplette Neuentwicklung erforderlich. Die Modifikation basierte zwar auf dem vorhandenen Spanndorn Maxxos T211, aber in dieser Ausführung – mit den Sicherheitsabfragen – wurde der Dorn speziell entwickelt. HOHE ANFORDERUNGEN AN DIE SPANNMITTEL Für Björn Schiesling, Konstrukteur in der Automationsabteilung von Hainbuch und von Anfang an dabei, gibt es grundlegende Anforderungen, die bei der Automatisierung bedacht werden müssen. „Beim automatisierten Spannmittelwechsel fehlt der Mitarbeiter, der die Kontaktflächen sauber macht. Schon kleinste Schmutzpartikel sorgen dafür, dass die Genauigkeit nicht mehr passt. Dann die Sicherheitsabfragen. Darf die Spindel in Rotation versetzt werden? Ist das Werkstück richtig gespannt? Liegt es richtig auf? Kann sich etwas lösen? Im Prinzip alles, was üblicherweise der Mitarbeiter prüft und einstellt, fällt bei der Automatisierung weg. Für uns war das eine riesige Challenge, die Ab- NEUE FACTORY – SMART UND GRÜN Mit der Smart Factory, in die WTO 40 Millionen Euro investiert hat, setzt das Unternehmen Maßstäbe bei der Digitalisierung und Automatisierung der Fertigung von kleinen Stückzahlen. Dabei ist die Smart Factory auch eine Green Factory. Durch die Nutzung von Energien aus dem Grundwasser zur Kühlung und aus der Prozessabwärme zur Heizung spart WTO 3,8 GWh Energie pro Jahr ein, was einer Reduzierung des CO 2 -Ausstoßes um 445 t entspricht. Eine Photovoltaik mit ca. 5 000 m² Fläche kann 750 kWp und dadurch einen Großteil des von WTO benötigten Stroms selbst erzeugen. Damit kann die Entnahme aus dem Stromnetz jährlich um ca. 770 MWh reduziert werden, was einer CO 2 -Emission von 420 t entspricht. 14 MY FACTORY 2023/09 www.myfactory-magazin.de
PRODUCTION EXCELLENCE fragen in den Spannmitteln unterzubringen. Natürlich mussten wir auch mit dem Maschinenhersteller klären, wie das steuerungstechnisch mit einer Hublagenkontrolle ausgewertet werden kann. Ein Beispiel: Für eine Luftanlagekontrolle kann ich die Kanäle im Spannmittel vorsehen, sodass die Luftabfrage realisiert werden kann. Aber die Zuführung der Luft und die Sensorik, die dahintersteckt und mit der Maschinensteuerung kommuniziert, die muss der Maschinenhersteller umsetzen. Bis zur finalen Lösung gab es viele Stolpersteine, die wir aber erfolgreich aus dem Weg geräumt haben“, berichtet Schiesling aus der Praxis. SICHERHEIT GEHT VOR Bei der Innenspannung hatte Hainbuch ebenfalls überlegt, die Segmentspannbüchse plus Anschlag zu wechseln. Doch aufgrund von Verschmutzungen vorne am Werkstück und der Sicherheitsabfragen kamen nur vorgerüstete Spanndorne infrage, die automatisiert umgerüstet werden. Schiesling erklärt: „Es gab zu viele Tücken beim Reinhalten. Wir haben beim Spanndorn einfach nicht so viel Platz wie beim Spannfutter. Hinzu kommt, dass wir mit dem Zugbolzen die Spannbüchse auf einen Pyramidenstumpf ziehen. Hätten wir das nicht gemacht, müssten wir mit dem Roboter eine Passung in IT7 Größenordnung einfügen. Da die Roboter aber etwas ungenau arbeiten, hätten wir den Wechsel nicht zuverlässig hinbekommen.“ In der Schleifzelle sowie in der Dreh-/Fräszelle stehen nun je zehn vorgerüstete Maxxos Spanndorne mit einer centrotex AC Schnittstelle bereit. Diese werden für die unterschiedlichen Gehäuse mit entsprechendem Set-up vorgehalten und automatisiert eingewechselt. ANFORDERUNGEN MEHR ALS ERFÜLLT Philipp Wußler, Bereichsleiter Schleifen bei WTO, hatte anfangs Zweifel, ob alles funktionieren wird. „Die haben sich zum Glück in Luft aufgelöst. Die Spannmittel erfüllen alle Anforderungen hinsichtlich Reinheit, Genauigkeit und was ganz wichtig ist: Wiederholgenauigkeit. Bei jedem Spanndornwechsel haben wir die geforderten 3 µm“, freut er sich. Durch den automatisierten Fertigungsprozess verkürzt sich die Rüstzeit um 25 Prozent gegenüber früher, als mit dem Backenfutter gespannt, händisch umgerüstet und die Backen für die Genauigkeit geschliffen werden mussten. „Auch der Ausschuss hat sich deutlich reduziert: Er liegt nun fast bei null. Denn das Spannen ist viel genauer als früher. Wenn ich das Bauteil einmal eingefahren habe, weiß ich, dass es beim nächsten Rüstvorgang auch funktioniert. Somit muss ich mir zum Thema Spannmittel keine Gedanken mehr machen«, ergänzt Wußler. Für WTO ist klar: Wenn das Spannen sicherer ist, dann ist auch der Prozess sicherer. „KOMMANDOZENTRALE“ HAT ALLES IM BLICK In der Smart Factory von WTO laufen nun alle Prozesse automatisiert. Roboter legen die Bauteile ein, wechseln die Spannmittel und fahrerlose Transportsysteme bringen alles von A nach B. „Die Smart Factory ist so konzipiert, dass der einzige manuelle Vorgang die Anlieferung des Rohmaterials ist. Auch die fertigen Gehäuse, die in der Fertigungszelle geprüft und vermessen werden, holt ein fahrerloses Transportsystem an der Maschine ab und lagert sie ein. In der Smart Factory gibt es eine sogenannte Kommandozentrale mit Büros für die Planung der Fertigungsprozesse und für die Programmierung. Geplant werden auch die Spannmittel und die Festlegung der Handlingparameter für die Automation“, erklärt Sascha Tschiggfrei. VOLL AUTOMATISIERT IN DIE ZUKUNFT IN DEUTSCHLAND Wir wollen am Standort in Deutschland bleiben und mussten reagieren, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens zu sichern. Unsere Zukunft liegt in der Smart Factory, die rund um die Uhr produziert und das voll automatisiert. Das verschafft uns Wettbewerbsvorteile und wir werden auch für höher qualifiziertes Personal attraktiv. Sascha Tschiggfrei, Geschäftsführer, WTO GmbH, Ohlsbach Weitere Projekte sind schon in Planung und dafür liefert Hainbuch wieder die Spannmittel und ist beim Einfahrprozess dabei. „Wir sind sehr zufrieden. Wir haben uns einen Partner gewünscht, mit dem wir dieses Entwicklungsprojekt abwickeln können. Hainbuch hat alles gegeben, um das letzte »µ« herauszuholen. Aus meiner Sicht lief es sogar besser als erwartet“, so das Fazit des WTO-Geschäftsführers. Bilder: WTO, Hainbuch www.hainbuch.de www.wto-tools.com AUTORIN Christina Große Kathöfer, Leitung Marketing, Hainbuch GmbH Spannende Technik, Marbach ZUSATZINHALTE IM NETZ bit.ly/3YLFJkD www.myfactory-magazin.de MY FACTORY 2023/09 15
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