INTRALOGISTIK 01 02 gefahren werden. Das kostete jedes Mal Zeit und Geld – von den Umweltauswirkungen ganz abgesehen. „Die Redundanz war für uns die Hauptmotivation für die Investition“, fasst Matthias Melahn zusammen. Neben der Anlagenverfügbarkeit mit der heutigen Möglichkeit, Störungen effektiv zu umfahren, erhält das Versandzentrum in Haldensleben einen weiteren Produktivitätsschub durch die Staufunktion der Fördertechnik. Bei Transnorm wurden die Förderstrecken so konzipiert, dass sie abseits des Normalbetriebs auch als Pufferstrecke dienen können. „Dafür brauchen wir die Antriebe von SEW-Eurodrive“, erklärt Melahn. ANTRIEBSRETROFIT SCHAUFELT RESERVEN FREI Bei einem Retrofit mit Movigear performance schaufeln wir wieder Reserven in der Transformatorenstation frei – und die lassen sich dann für Betriebserweiterungen nutzen, ohne dafür in einen neuen Trafo kostspielig investieren zu müssen. Erik Ressel, Vertriebsingenieur Service, SEW-Eurodrive Mit Abschluss der Modernisierung verfügt der Anlagenbereich über zwölf Pufferbänder. Steht zum Beispiel ein Sorter, fahren die Pufferbänder so lange weiter, bis sie bis auf den letzten Platz gefüllt sind. Damit ist Hermes Fulfilment in der Lage, punktuelle Verzögerungen in einzelnen Bereichen durch Pufferung der Sendungen zu überbrücken, was direkt die Produktivität verbessert. Vor dem Hintergrund, dass sowohl Sendungen von wenigen hundert Gramm als auch bis zu 30 Kilogramm schwere Tütenwannen über die Förderstrecke transportiert werden, lässt dies eine Vorstellung aufkommen, wie komplex sich die Antriebsauslegung gestaltet. LOSBRECHMOMENTE SICHER BEHERRSCHEN Bei den Förderstrecken mit Staufunktion handelt es sich um lange Gurtförderer von Transnorm, die taktfähig sind. Die Besonderheit: Füllt sich das Pufferband immer mehr mit Ware, müssen die Antriebe immer höhere Lasten beim Anfahren beschleunigen. Die Losbrechmomente gehen dabei weit über den üblicherweise herrschenden S1-Betrieb hinaus. Das können 25 Tüten oder auch 25 Pakete sein, die auf der Strecke sind. Am ungünstigsten sind sogenannte Tütenwannen mit bis zu 30 Kilogramm Gewicht. „Wir sind schnell über einer halben Tonne, die wir takten. Auch dann darf keine Welle abreißen oder ein Antrieb aussteigen“, betont Matthias Melahn. Gelöst wird diese anspruchsvolle Aufgabe mit Movigear performance aus dem Automatisierungsbaukasten Movi-C. Damit wird einerseits die Energieeffizienz nach oben gebracht und andererseits werden durch die hohe Überlastfähigkeit bis 300 Prozent gerade auch die Losbrechmomente beim Takten beherrscht. Mit der bewussten Ausnutzung des Spielraums bei der Überlast verringert Transnorm System die energetisch wenig vorteilhafte Überdimensionierung deutlich. LEISER UND WIRTSCHAFTLICHER Materialflussanwendungen sind ein prädestiniertes Einsatzgebiet für die Antriebseinheit Movigear performance. Sebastian Hartmann, Konstrukteur für Großprojekte bei Transnorm System in Harsum, schätzt die Antriebseinheit vor allem aus folgenden Gründen: geringe Geräuschentwicklung, Antriebsmoment, Energieeffizienz, Temperaturverhalten, Minimierung der Varianten, universelle Bauform, großer Drehzahlstellbereich und reduzierte Anschlussleistung. Im Vergleich zu einem konventionellen Getriebemotor mit Lüfter bringt es das lüfterlose Movigear per- 10 MY FACTORY 2022/09 www.myfactory-magazin.de
INTRALOGISTIK 03 04 01 Blick auf die Anlage, die für Hermes Fulfilment neu konzipiert wurde 02 Das Handling von Versandtüten stellt eine große Herausforderung für den automatisierten Materialfluss dar 03 Der Betrieb von Movigear performance ohne Schaltschrank eröffnet viele Möglichkeiten der Installation – ein echter Pluspunkt gerade bei Retrofitprojekten 04 Im Vorfeld des Projektes standen umfangreiche Energiemessungen. Die hohe Effizienz der Antriebe machte den Weg frei für Modernisierungen ohne Anpassungen bei der Mittelspannungseinspeisung formance gerade einmal auf etwa 65 dB. „Das ist fast eine Halbierung der Schalldruckleistung. Die Antriebe sind also deutlich leiser.“ Dieser Mehrwert wird sich im Förder- und Sortierbereich von Hermes Fulfilment spätestens dann voll auswirken, wenn auch die restlichen Altantriebe durch Movigear performance ersetzt werden. Die Energieeffizienz der Antriebe mit ihrem permanent erregten Synchronmotor entspricht der Wirkungsgradklasse IE5 und hat gerade im Dauerbetrieb eines 24/7 Logistikzentrums auch an anderer Stelle zahlreiche Vorteile. Der hohe Wirkungsgrad begrenzt wirksam thermische Verluste. Die Antriebe geben also weniger Abwärme an ihre Umgebung ab, was den energetischen Aufwand für das Kühlen der Betriebsgebäude herabsetzt. „Der gestiegene Wirkungsgrad und die hohe kurzzeitige Überlastfähigkeit haben zudem den Effekt, dass sich die Anschlussleistung reduziert“, berichtet Sebastian Hartmann. „Bei einem Retrofit mit Movigear performance schaufeln wir wieder Reserven in der Transformatorenstation frei – und die lassen sich dann für Betriebserweiterungen nutzen, ohne dafür in einen neuen Trafo kostspielig investieren zu müssen“, fasst Erik Ressel von SEW- Eurodrive zusammen. WENIGER VARIANZ AUF ANTRIEBSEBENE Die dezentralen Antriebseinheiten übernehmen abseits der eigentlichen Aufgabe, die Fördertechnik anzutreiben, auch noch den Empfang und die gebündelte Weitergabe der Daten der angeschlossenen Sensorik. Hierzu zählen vor allem Lichtschranken. Sebastian Hartmann: „Die bekommen wir direkt mit den On-Board-I/Os von Movigear performance verbunden. Das spart dann dezentrale I/O-Stationen.“ Die Kommunikation erfolgt über Profinet und Profisafe – ein echter Pluspunkt, um auch die Sicherheitstechnik mit minimalem Installationsaufwand in die Anlage zu bringen. FAZIT Mit der Antriebseinheit aus Motor, Getriebe und Umrichter in einem schlanken Gehäuse lassen sich Anlagenmodernisierungen weitgehend ohne Restriktionen in puncto Platz und Verkabelung realisieren. Der dezentrale Umrichter aus dem Automatisierungsbaukasten Movi-C erlaubt hierbei einen Einsatz in allen gängigen Ethernet-basierten Infrastrukturen. Ein weiterer Vorteil: Die neue Antriebsgeneration von SEW-Eurodrive wiegt auch noch weniger als der Vorgänger. Die Baugröße 2 – diese ist bei Hermes Fulfilment am meisten im Einsatz – wiegt 16 Kilogramm und kann folglich noch von einer Person ein- und ausgebaut werden. Sind höhere Leistungen bzw. Drehmomente gefragt, kommt die Baugröße 4 zum Einsatz. Sie wiegt 26 Kilogramm. In Haldensleben gibt es davon zwei Stück. Erik Ressel: „Der Austausch ist wirklich simpel: Stecker runter, Antrieb von der Welle ziehen, neuen Antrieb wieder drauf, Stecker wieder drauf – fertig, und zwar ohne Inbetriebnahme. Die Applikationsparameter holt sich Movigear performance über Profinet.“ Bilder: SEW-Eurodrive www.sew-eurodrive.de AUTORIN Andrea Balser, Referentin Fachpresse SEW-Eurodrive, Bruchsal ZUSATZINHALTE IM NETZ https://youtu.be/8qlyPlcGvBk ENORME ENERGIEEINSPARUNG Energievergleichsmessungen an einer der Förderstrecken haben das enorme energetische Einsparpotenzial der optimierten Anlagentechnik bestätigt. Diese Zahlen und Fakten sprechen für sich: n 1 710 kg/Jahr geringerer CO 2 -Fußabdruck n 34 % Energieeinsparung der gemessenen Förderstrecke n 57 % durchschnittliche Energieeinsparung pro Antrieb n 50 % Lärmreduzierung durch lüfterlose Antriebe www.myfactory-magazin.de MY FACTORY 2022/09 11
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