MONTAGE- UND HANDHABUNGSTECHNIK Ergonomischer und schneller LIVE@ Gezielter Einsatz moderner Handhabungsmodule optimiert Montagearbeitsplätze F. Stephan Auch Die Handmontage eines neuen Mittelspannungsschalters dauerte während der Pilotphase mehr als eine Stunde. Außerdem war die Arbeit körperlich anstrengend und erforderte viel Aufmerksamkeit. Seitdem Abläufe und Arbeitsplatz ergonomisch optimiert wurden, ist die Komponente bereits nach rund 25 Minuten fertig. Gleichzeitig wurde die physische Belastung der Mitarbeiter verringert, Gefahrenquellen konnten beseitigt werden. Für den Einsatz in der Industrie und in Kraft- und Umschaltwerken entwickelte die Division Energy Management der Siemens AG einen neuen Mittelspannungsschalter, der 2012 zuerst an einem provisorischen Handarbeitsplatz montiert wurde. Nach erfolgreicher Markteinführung stiegen die Verkaufszahlen, so dass die Stückzahlen erhöht und die Produktion am Berliner Standort ausgeweitet werden musste. Daher bat die Abteilung Medium Voltage & Systems die Bohnert-Systemtechnik um Unterstützung bei der Optimierung des Montagearbeitsplatzes. Petra Stielow, Konstrukteurin bei dem Ingenieurbüro aus Rödermark, das unter anderem Handlingsysteme konzipiert, erinnert sich: „Die Arbeiten wurden manuell an einem ganz normalen Tisch verrichtet, die rund sechzig Kilogramm schwere Baugruppe musste von Hand gedreht und gewendet werden. Ständig bestand die Gefahr, sich die Finger zu quetschen oder einzuklemmen. Werkzeuge und Kleinteile waren nicht griffbereit.“ Überzeugender ergonomischer Montagearbeitsplatz Der von Petra Stielow und ihrem Kollegen Dirk Siemko, Technischer Leiter bei Bohnert, entwickelte ergonomische Montagearbeitsplatz wurde im Frühjahr 2013 bei Siemens in Berlin installiert und verkürzte F. Stephan Auch, freier Fachjournalist, Nürnberg die Durchlaufzeit zunächst um eine knappe halbe Stunde auf rund 35 Minuten. Das Konzept sieht vor, dass sich die Montage- Arbeitsfläche horizontal über ein Gleitlager drehen und in der gewünschten Position mechanisch verriegeln lässt. Mit Hilfe von zwei Drehmodulen kann sie außerdem zum Werker hin und von ihm weg gekippt werden. Auf diese Weise lassen sich die Mittelspannungsschalter bequem und sicher schwenken und von allen Seiten montieren. Eine Indexierung sorgt für das Einrasten im richtigen Winkel, hydraulisch entriegelt werden die Drehmodule über ein Fußpedal, so dass die Hände des Werkers stets frei bleiben. In der Höhe lässt sich der Arbeitsplatz über zwei elektrische Hubsäulen vom Typ „Shop-Floor“ an die Körpergröße des Mitarbeiters und an die Mon- tagehöhe der Baugruppe anpassen. Hochund runtergefahren werden sie mittels eines Handbedienschalters. Eine Versorgungseinheit mit Gleichlaufsteuerung steuert die Komponenten. Zuverlässige und flexibel einsetzbare Module Die von Bohnert eingesetzten Komponenten stammen aus dem modulog-Programm von Roemheld. Der Spezialist für Montageund Handhabungstechnik aus dem hessischen Laubach bei Gießen ist seit 2012 Lieferant und Partner der Bohnert-Systemtechnik. Petra Stielow erklärt, warum: „Alle Komponenten sind von hoher Qualität, sehr zuverlässig, wartungsarm und servicefreundlich. Für uns als Entwicklungsdienst- Modulprogramm für die Handhabungstechnik Das modulog-Programm von Roemheld umfasst zahlreiche Module zum horizontalen und vertikalen Drehen, zum Kippen, Heben, Stellen und Bewegen. Die Komponenten sind standardmäßig für unterschiedliche Lasten zwischen 100 kg und 1000 kg ausgelegt. Wahlweise können sie mit der Hand direkt am Modul oder über Hebel oder Taster per Hand oder Fuß betätigt werden. Zu den neuesten Entwicklungen von Roemheld gehört ein Drehmodul mit Mediendurchführungen. So lassen sich Vorrichtungen, die beispielsweise mit Nullpunktspannsystemen gespannt werden, ohne aufwändige Verrohrungen hydraulisch, elektrisch oder pneumatisch betätigen. Die von Bohnert eingesetzte Shop-Floor Hubsäule gibt es mit einem Hub zwischen 200 und 600 mm, in drei Varianten für Lasten bis 600 kg und wahlweise bedienbar mittels Handtaster, Fußhebel oder Fußtaster. Für jeweils 200 kg Last ausgelegt sind die verwendeten horizontalen Drehmodule. Eines von ihnen ist mit einer Indexierung der Drehposition in 60 Grad-Schritten ausgestattet, das andere funktioniert ohne Positionsmarkierungen als Gegenlager 24 Der Betriebsleiter 4/2015
MONTAGE- UND HANDHABUNGSTECHNIK 01 Der Montagearbeitsplatz in der Fertigungslinie 02 Auf der Arbeitsplatte kann die Baugruppe gedreht, geschwenkt und in der Höhe variabel montiert werden leister ist darüber hinaus wichtig, dass die Beratung und Unterstützung bei unserer Planung ausgesprochen kompetent, zeitnah und hilfreich ist. Überdies ist das modulog-Sortiment ein Baukastensystem, das sehr flexibel einsetzbar ist; die einzelnen Komponenten lassen sich gut miteinander kombinieren (siehe Kasten).“ Folgeauftrag über eine Fertigungslinie 03 Vollautomatisierte Bandstrecke zu den drei Montagearbeitsplätzen in der Fertigungslinie Siemens war mit dem Montagearbeitsplatz sehr zufrieden und bestellte noch im selben Jahr eine zweite Ausführung für einen Fertigungsstandort in China. Kurz darauf kam ein Auftrag über eine Fertigungslinie für den Mittelspannungsschalter mit drei Arbeitsplätzen hinzu. „Für die Linie haben wir die Montagearbeiten in drei Schritte aufgeteilt und jeweils die entsprechenden Handarbeitsplätze konzipiert“, erinnert sich Petra Stielow. Zuerst werden die Grundkomponenten aus Tragblech, Polblech und den Polen montiert, hierbei wird das Polblech von Hand seitlich an einem Anschlag fixiert. „So kann es nicht verrutschen, gleichzeitig sitzt die Baugruppe optimal im Schwerpunkt“, hebt die Konstrukteurin hervor. Über Schwerkraftrollenbänder werden die verschiedenen Bauteile, Komponenten und die montierte Baugruppe zu den verschiedenen, nebeneinander angeordneten Arbeitsplätzen bewegt. An Montageplatz zwei wird eine vorkonfektionierte Welle montiert, an der dritten Station dann der Kabelbaum. Am Ende konnte die Durchlaufzeit nochmals um zehn Minuten gesenkt werden, sagt Stielow: „In 25 Minuten ist der Mittelspannungsschalter fertig und wird der Endkontrolle übergeben.“ Zeitersparnis und viele weitere Vorteile Die Zeitersparnis ist nur ein Plus, weitere Vorteile führt sie auf: „Durch die einstellbare Arbeitshöhe und die Verringerung des Kraftaufwands von 500 N auf 50 N ermüden die Mitarbeiter langsamer und können sich länger konzentrieren. Das verbesserte und sichere Handling und die einfache und logisch aufgebaute Bedienung erhöhen zudem die Montagequalität. Gleichzeitig ist die Unfallgefahr gesunken, so dass langfristig arbeitsplatzbedingte Ausfälle und Fehlzeiten abnehmen.“ Durch die verbesserten Arbeitsbedingungen wird der Betrieb auch bei der Umsetzung der ab 2015 verpflichtenden Auflagen der Berufsgenossenschaften zur Gefährdungsanalyse für die Reduzierung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz effizient unterstützt. Arbeitsplätze flexibel verwendbar Bei der Konzeption der Fertigungslinie hatten Siemko und Stielow ferner darauf geachtet, dass Siemens die Arbeitsplätze flexibel verwenden kann: Sind nur kleine Stückzahlen zu montieren, können diese „Das verbesserte und sichere Handling und die einfache und logisch aufgebaute Bedienung erhöhen die Montagequalität“ Petra Stielow, Konstrukteurin bei Bohnert-Systemtechnik Arbeiten vollständig am zweiten Montagearbeitsplatz erledigt werden, die übrigen Stationen lassen sich über das Bedienpanel aktivieren. Bei Bedarf wäre die Anlage nach einer entsprechenden Modifikation außerdem für die Montage anderer Schaltertypen einsetzbar. Auch mit der Fertigungslinie überzeugte die Bohnert Systemtechnik ihren Auftraggeber: Dieser überlegt in der Zwischenzeit, eine weitere Anlage an einem Standort in China einzusetzen. Bilder: Bohnert www.roemheld.de Im Fokus Effizienz Sicherheit Nachhaltigkeit Der Betriebsleiter 4/2015 25
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