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Der Betriebsleiter 1-2/2020

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Der Betriebsleiter 1-2/2020

FERTIGUNGSTECHNIK

FERTIGUNGSTECHNIK Blitzgescheite CNC Neue Technologiefunktionen optimieren die Lohnfertigung und den Werkzeug- und Formenbau Mit der Sinumerik ONE hat Siemens neuerdings eine Hochleistungs-CNC im Portfolio, die als Digital Native entwickelt wurde und für die digitale Transformation gemacht ist. Doch welchen konkreten Mehrwert bringt die neue Steuerung in der Lohnfertigung und im Formenbau? Beispielsweise stehen neue Technologiefunktionen zur Verfügung, die Bearbeitungen beschleunigen oder deren Qualität erhöhen – im besten Fall sogar beides. Die Anforderungen im Werkzeug- und Formenbau an die Genauigkeit und die Oberflächen der Bauteile sind hoch. Erschwerend kommt hinzu, dass praktisch jedes einzelne Werkstück ein Unikat ist und dass Aufträge meist zeitlich eng getaktet sind. Diese erheblichen Anforderungen lassen sich direkt ins Pflichtenheft der Ausrüstung und der Maschinen übertragen. Mit einigen der neuen Technologiefunktionen der Sinumerik lässt sich das abhaken. Autor: Dr. Jochen Bretschneider, Technologieund Innovationsmanager, Siemens AG, Nürnberg Gas geben bei Drei- und Fünf-Achs- Simultan-Bearbeitungen Zur bewährten Formenbau-Funktion Top Surface gibt es nun die Erweiterung Top Speed. Diese reduziert die Bearbeitungszeit bei höchster Oberflächenqualität. Das wird erreicht, indem innerhalb voreingestellter Toleranzen geringste Abweichungen von der CAD-Vorgabe akzeptiert, also Lagesollwerte der CNC geglättet werden. Dadurch werden geometrische „Spitzen“ herausgefiltert, die sich nachteilig auf die Geschwindigkeitsführung der CNC auswirken. Als weitere Neuerung erfolgt die Optimierung des Geschwindigkeitsprofils so, dass Resonanz- frequenzen der Maschine nicht angeregt werden – was eine schnellere Bearbeitung bei gleicher Oberflächengüte ermöglicht. Speziell im Formenbau, wo der Werkzeug-Verfahrweg häufig über das Bauteil hinweg von einem Umkehrpunkt zum nächsten führt, wird diese Funktion für den Anwender direkt spürbar: Anregungen der Maschine in den Umkehrpunkten, die sich wie kleine Schläge anfühlen, reduzieren sich deutlich bzw. verschwinden mit dem Einschalten von Top Speed, was nicht zuletzt die Maschine schont. Idealerweise kommen die Schwestern Top Surface und Top Speed im Doppelpack zum Zug – das sichert optimale Qualität bei optimaler Bearbeitungszeit. Wie viel Zeit sich mit dem neuen Top Speed tatsächlich einsparen lässt, hängt wie so oft individuell von der Maschinen- und Antriebsauslegung, den Maschinenresonanzen, von der Bauteilgeometrie und zuletzt vom Potenzial des einzelnen Teileprogramms ab. Da die Sinumerik ONE mit Multi-Core-Technologie, also höchster Rechenleistung, ausgestattet ist, konnten damit bereits Produktivitätszuwächse im zweistelligen Prozentbereich nachgewiesen werden. Ans Werkstückgewicht angepasste Dynamik Im Werkzeug- und Formenbau kommen häufig Werkzeugmaschinen zum Einsatz, die den Spielraum lassen, um auch große und somit meist schwere Werkstücke bearbeiten zu können. Bisher werden bei diesen Maschinen Regelung und Dynamik der zugehörigen Maschinenachse auf das maximale Werkstückgewicht ausgerichtet. Die Sinumerik schafft mit einem Zyklus für die intelligente Lastanpassung die Voraussetzungen, um bei Werkstücken mit geringem Gewicht die Maschinendynamik zu erhöhen. Dieser Zyklus bringt bei Werkzeugmaschinen mit direkt angetriebenen Linear- und Rundachsen besonders viel, weil hier wechselnde Werkstückgewichte unmittelbare Auswirkungen auf den zur Beschleunigung notwendigen Strom haben. Die Anwendung ist einfach: Bei Aufruf des Cycle782 über die Steuerung führt die Maschine eine Testfahrt durch, bestimmt das Gewicht und passt die Dynamik- und Regelungsparameter gemäß der vom Maschinenhersteller festgelegten Adaptionskennlinie an. Falls sich das Werkstückgewicht während der Bearbeitung signifikant verändert, kann Cycle782 mehrfach aufgerufen und die Dynamik jeweils erhöht wer- 14 Der Betriebsleiter 1-2/2020

FERTIGUNGSTECHNIK den. Das bedeutet: umso leichter das aufgespannte Werkstück, desto kürzer die Maschinenzeit (durch Anpassung der Beschleunigung und des Ruckwerts) und desto höher die Präzision (durch Anpassung der Regelungsparameter). An Achspositionen angepasste Dynamik Eine Technologiefunktion, die im Hintergrund permanent dazu beiträgt, die Dynamik von vor allem größeren Werkzeugmaschinen voll auszunutzen, ist die intelligente Dynamikanpassung (IDC). Sie stimmt die Dynamik- und Regelungsparameter achsübergreifend dynamisch ab, indem beispielsweise bei einer Portalfräsmaschine die Dynamik der Y-Achse in Abhängigkeit von der aktuellen Position der Z-Achse adaptiert und optimiert wird. Sowohl Werkzeug- und Formenbauer als auch Lohnfertiger, die Wert auf eine hohe Maschinendynamik legen, sollten darauf achten, dass diese Technologiefunktion aufgesetzt ist. Kollisionen vermeiden Mit der Simulation in der Programmierung, die auf dem digitalen Zwilling der Sinumerik One basiert, sind Kollisionen ausgeschlossen – solange es in der Realität keinerlei Abweichungen vom digitalen Zwilling gibt. Fährt der Maschinenbediener manuell oder nimmt er auch nur kleinste Änderungen an der Aufspannung vor, müssen diese Informationen exakt übernommen werden. Nur dann lassen sich mögliche Kollisionen auf der Werkzeugmaschine zuverlässig erkennen und wirksam verhindern. Collision Avoidance für Sinumerik Edge ist dazu in der Lage, weil sich Maschine und Bearbeitungsprozess akkurat abbilden lassen. Hierfür sind die Werkzeuge, deren Halter sowie die Spannmittel beschrieben. Der reale Werkstück-Rohling wird vor der Bearbeitung in der Maschine vermessen, auf diese Weise 1-zu-1 einbezogen und als verifizierter Kollisionskörper während der Bearbeitung gemäß des Materialabtrags dynamisch der Realität angepasst. So stoppt die Maschine, bevor es zum Crash kommt. Die Kollisionsvermeidung ist in praktisch allen Bereichen der zerspanenden Fertigung von großer Bedeutung. Für Lohnfertiger sind jedoch andere technologische Features wichtig, als für Werkzeugund Formenbauer. Hier sind Vereinfachungen gefragt, die bei der direkten Maschinenbedienung zum Tragen kommen. Winkelkopf-Adapter und Werkzeugbedarf-Ermittlung Mechanische Winkelköpfe kommen aus Produktivitätsgründen zum Einsatz, da sie eine Fünf- oder Sechs-Seiten-Bearbeitung ermöglichen. Sie werden nun in der Werkzeugverwaltung der Sinumerik vollständig unterstützt: Einmal angelegt, wird vom Maschinenbediener lediglich die Kombination aus Winkelkopf und Werkzeug ausgewählt. Anschließend stehen sämtliche Zyklen der Sinumerik samt integrierter Simulation zur Verfügung, sodass sich Bearbeitungen im Umfeld der Lohnfertigung einfach durchführen lassen. Mit Identify Tool Demand kann der Maschinenbediener einfach ermitteln, ob alle für den Durchlauf eines bestimmten Teileprogramms benötigten Werkzeuge bereitstehen. Dafür erzeugt die Steuerung beim ersten Durchlauf oder bei der Simulation des Programms einen Mitschrieb, anhand dessen sich bei erneutem Programmaufruf eine Differenzliste herstellen lässt. So erkennt der Maschinenbediener mit einem Blick, ob alle Werkzeuge im Magazin vorhanden sind und falls nein, welche noch beladen werden müssen. Das reduziert unproduktive Zeiten, z.B. Unterbrechungen, die zustande kommen, weil ein für die Bearbeitung notwendiges Werkzeug fehlt. Identify Tool Demand funktioniert auch, wenn ein Programm, etwa aufgrund eines Engpasses, auf eine andere Maschine übertragen wird. Beschleunigter Eilgang Auf den Punkt gebracht Bezeichnet man die CNC innerhalb der Werkzeugmaschine als Gehirn und ausgereifte Technologiefunktionen als IQ-Punkte, dann steigt der IQ der Sinumerik mit dem nächsten Software- Stand grundsätzlich und mit der Sinumerik ONE im speziellen spürbar an. Die Neuerungen tragen jeweils auf unterschiedliche Art und Weise dazu bei, die Produktivität von Werkzeugmaschinen zu erhöhen: Sie steigern die Dynamik und die Konturgenauigkeit, erhöhen die Bearbeitungsqualität, schonen die Maschine und erleichtern es dem Maschinenbediener, die Bearbeitungen dynamisch und sicher durchzuführen. Die Technologiefunktion Ruckanpassung (Jerk Adaption) spart während des Eilgangs Zeit ein, also immer dann, wenn das Werkzeug nicht im Eingriff ist. Durch eine Ruckanpassung erhöht sich bei Positionieraufgaben oder beim Werkzeugwechsel die Dynamik der Verfahrbewegung, ohne dass der nächste Eingriff am Werkstück an Präzision verliert. Dafür sind während der Eilgangbewegungen hohe Ruckwerte zugelassen, gleichzeitig sind Schwingungsanregungen sicher unterdrückt. Dies geschieht zu Lasten der Bahntreue, die bei G0 jedoch von untergeordneter Bedeutung ist. Prädestiniert ist diese Technologiefunktion zum Beispiel für Werkstücke mit mehreren Bohrungen nebeneinander: Vom Rückzug des Werkzeugs aus der einen, bis zum nächsten Werkzeugeingriff an der nächsten Bohrung lässt sich Zeit gewinnen. Beim Umschalten in den Bearbeitungsmodus werden die Filter rechtzeitig wieder geschwächt, also auf einen moderaten Ruckwert umgeschaltet, sodass eine hohe Präzision am Werkstück gewährleistet bleibt. Fazit Die neuen Technologiefunktionen sind sowohl für die Sinumerik ONE (SW 6.1) als auch für die Sinumerik 840D sl (SW 4.9) verfügbar – wobei die Sinumerik ONE im Werkzeug- und Formenbau aufgrund ihrer hohen Performance bei rechenintensiven Features wie Top Speed und Top Surface ihrer Vorgängerin eine Nasenlänge voraus ist. Jede zusätzliche Technologiefunktion, die die Sinumerik mitbringt, erzeugt ein Mehr an Effizienz, Oberflächenqualität oder Zeitgewinn. Darüber hinaus entsteht zudem ein umfangreicher, nicht zu unterschätzender Alltagsnutzen: wenn Bearbeitungen im Werkzeug- und Formenbau, wo zum Teil schon kleinste Marken und Schäden im Werkstück in abgeformten Teilen sichtbar werden, vor Kollisionen geschützt sind; wenn in der Lohnfertigung der Zugriff auf intelligente Zyklen den Weg zum fertigen Werkstück vereinfacht; wenn der Blick auf eine Liste genügt, um zu wissen, ob ein Werkzeug fehlt oder nicht. Dann helfen diese Assistenten zweifelsohne, den Maschinenbediener spürbar zu unterstützen und zu entlasten – und ganz nebenbei eine höhere Prozessperformance und -sicherheit zu erreichen. Bilder: Siemens www.siemens.com Der Betriebsleiter 1-2/2020 15

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