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Der Betriebsleiter 6/2019

Der Betriebsleiter 6/2019

FERTIGUNGSTECHNIK

FERTIGUNGSTECHNIK Zukunftssicher modernisieren Retrofit-Maßnahmen professionell durchführen Bei Umbauten oder Modernisierungen werden Veränderungen an Maschinen vorgenommen, um sie dem Zeitalter von Industrie 4.0 anzupassen. Dabei ergibt sich für Betreiber die Fragestellung, ob es sich um eine „wesentliche Veränderung“ im Sinne der Maschinenrichtlinie handelt und wie sie die Maschinen zukunftssicher modernisieren können. Der Umbau von alten Maschinen stellt für viele Maschinenbetreiber eine interessante Alternative zur Neuanschaffung dar. So werden beispielsweise leistungsfähigere Antriebe eingesetzt oder vorhandene Schutzeinrichtungen den neuen Anforderungen angepasst. Häufig kommt neue Steuerungssoftware zum Einsatz, um die Funktion wiederherzustellen. Ist dies der Fall, so muss diese nach dem Stand der Technik implementiert werden – entsprechend mit Performance Level und durchgeführter Validierung. Autorin: Alexandra Langstrof, freie Mitarbeiterin der CE-CON GmbH, Bremen Ein Beispiel aus der Praxis: Für eine alte hydraulische Maschine, die im Nebenraum der Instandhaltung verstaubte, wurde eine neue Nutzungsmöglichkeit gefunden. Sie wurde von einem Dienstleister überholt und frisch lackiert. Im Anschluss wurde sie eingesetzt, um Kevlar-Bezüge auf Stahlrollen zu pressen. Eine leicht verkantete Stahlrolle sprang dabei aus der Halterung und zerschlug einem Auszubildenden den Unterkiefer. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass sich durch die Veränderung von (gebrauchten) Maschinen neue Gefährdungen ergeben können oder sich ein bereits vorhandenes Risiko erhöhen kann. Das gilt auch für Maschinen und Anlagen, die im alten Zustand und in ihrer ursprünglichen Verwendung möglicherweise zertifiziert waren und umgebaut, modernisiert, erweitert und/ oder für einen anderen Zweck verwendet werden. Aus Sicht der Maschinensicherheit ist zu prüfen, ob es sich um eine „wesentliche Veränderung von Maschinen“ handelt. Gefährdungsbeurteilung als Instrument der Arbeitssicherheit Bei einem Maschinenumbau bzw. einer Anpassung oder Modernisierung ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Diese stellt ein modernes Instrument der Arbeitssicherheit dar und berücksichtigt im Gegensatz zur herkömmlichen Unfallver- Auf den Punkt gebracht Bei Veränderungen an Maschinen ist zu prüfen, ob diese sicherheitsrelevante Auswirkungen nach sich ziehen Bei einem Maschinenumbau bzw. einer Anpassung oder Modernisierung ist eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Diese stellt ein modernes Instrument der Arbeitssicherheit dar und berücksichtigt im Gegensatz zur herkömmlichen Unfallverhütung auch die betrieblichen Belange. hütung auch die betrieblichen Belange. Die Gefährdungsbeurteilung wird vom Gesetzgeber sowohl im Arbeitsschutzgesetz als auch in der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und der Gefahrstoffverordnung berücksichtigt. Dadurch wird die Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitgeber zur Verpflichtung. Er darf nur Maschinen zur Verfügung stellen, deren Verwendung nach dem Stand der Technik sicher ist. Mögliche Schutzmaßnahmen gegen Gefährdungen werden im Drei-Stufen-Verfahren bestimmt. Die erste Stufe ist die inhärent sichere Konstruktion. Hier können zum Beispiel scharfe Kanten oder ungünstige Abstände der Komponenten vermieden werden. Den größten Anteil nehmen die technischen Schutzmaßnahmen ein. Abdeckungen, Schutzzäune und ähnliches werden in der zweiten Stufe als ergänzende Schutzeinrichtungen definiert, um einen sicheren Umgang mit der Maschine zu gewährleisten. Die dritte Stufe beinhaltet die Benutzerinformation in Form von Piktogrammen, Warnhinweisen am Produkt oder in der Betriebsanleitung oder die Forderung nach der Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Liegt eine neue Gefährdung beziehungsweise eine Erhöhung eines vorhandenen Risikos vor und wird festgestellt, dass die vorhandenen Schutzmaßnahmen der Maschine nicht mehr ausreichen oder nicht mehr geeignet sind, wird eine Risikobeurteilung hinsichtlich der Frage durchgeführt, ob eine wesentliche Veränderung vorliegt. Ein kompletter Umbau kann beispielsweise zu einer wesentlichen Veränderung der Maschine führen. Damit wird der Maschinenbetreiber selbst zum Hersteller und muss die Maschine wie ein neues Produkt behandeln und das gesamte Verfahren zur Erlangung der EG-Konformität durchlaufen. Dazu gehört auch die Erstellung aller hierfür notwendigen Dokumente. „Hier herrscht zum Teil noch große Unsicherheit seitens der Maschinenbetreiber“, weiß Jörg Handwerk, Geschäftsführer der CE-CON aus langjähriger Praxis. „Es hat sich schon oft als sehr sinnvoll erwiesen, wenn über diese Thematik rechtzeitig gesprochen wird.“ 8 Der Betriebsleiter 6/2019

FERTIGUNGSTECHIK Dokumentation sorgt für sicheren Betrieb ur, wer bereits von Beginn N an abteilungsübergreifend an Sicherheit denkt und diese mit durchgängiger Terminologie in Schaltplänen, Risikobeurteilung und Benutzerinformation dokumentiert, kann eine Konformität mit den Anforderungen von anzuwendenden Richtlinien unterzeichnen. Jörg Handwerk, Geschäftsführer der CE-CON GmbH, Bremen nischen Möglichkeiten in Einklang gebracht werden. Hierfür ist nur eine gewisse Kreativität in der Wahl des Schutzkonzeptes notwendig. Denn das größte Gefahrenpotenzial besteht im Umgehen bereits integrierter Sicherheitssysteme, wenn diese den produktionstechnischen Anforderungen widersprechen. Wo früher Schutzzäune das Erreichen verhindert haben, können heute optisch trennende Schutzeinrichtungen für die gleiche Sicherheit sorgen. Sie sorgen dafür, dass die Maschine bei Annäherung anhält. Schutzabdeckungen können so gestaltet werden, dass der Arbeitsablauf an Arbeitsplätzen nicht beeinträchtigt wird. Hinzu kommt, dass Schutzeinrichtungen kombiniert werden. Zum Beispiel werden Lichtgitter und Türen, die in feststehenden trennenden Schutzeinrichtungen eingebaut sind, mit Zustimmtastern und Zweihandbedienungen für eine be- stimmte oder mehrere Bewegungen verbunden. Für die Konstrukteure bedeutet dies, dass eine fachlich korrekt durchgeführte Risikobeurteilung mit zugehöriger Abschaltmatrix und einem Safety-Layout durchgeführt werden muss. Dieser aufwendige Prozess der Konstruktion und Verifikation ist notwendig, um alles zu prüfen und für Dritte nachvollziehbar zu dokumentieren. „Denn nur, wer bereits von Beginn an abteilungsübergreifend an Sicherheit denkt und diese mit durchgängiger Terminologie in Schaltplänen, Risikobeurteilung und Benutzerinformation dokumentiert, kann eine Konformität mit den Anforderungen von anzuwendenden Richtlinien unterzeichnen“, so Jörg Handwerk abschließend. www.ce-con.de Im Fokus Sicherheit Effizienz Nachhaltigkeit anz-90-130-vfm_Layout 1 18.02.18 14:00 Seite 1 Eine mit dem Retrofit einhergehende Dokumentation sorgt dafür, dass der sichere Betrieb in der Praxis gegeben ist. Es kommt vor, dass die produktionstechnische Optimierung nicht aufgrund von Normen umgesetzt wird. Doch nur, wer harmonisierte Normen berücksichtigt, baut nach dem Stand der Technik um. Die Anforderungen an die Sicherheitstechnik können mit techwww.ruwac.de 05226-9830-0 Der Betriebsleiter 6/2019 9 Ruwac.indd 1 12.03.2018 15:56:13

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